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Maßnahmenpaket ist ein Kompromiss, kann aber den Wohnungsbau pushen

Die Präsidenten der immobilienwirtschaftlichen Verbände in Deutschland haben gestern bei der Bündnis-Spitzenrunde in Berlin das Papier „Bündnis bezahlbarer Wohnraum – Maßnahmen für eine Bau-, Investitions-, und Innovationsoffensive“ mit unterzeichnet. Unter den 130 Maßnahmen sehen die Verbände einige vielversprechende Punkte, die zugleich mehr Bauen und schnelleres Bauen in Deutschland antreiben könnten. Weil das Bündnis sehr breit aufgestellt ist, sei man allerdings auch gezwungen gewesen, Kompromisse einzugehen, die dem ursprünglichen Ziel abträglich sind, erklären die Verbände.

In dem Bündnis sind die Verbände BFW, GdW, Haus & Grund, IVD, vdp, VDIV und ZIA aktiv. Die Präsidenten der Immobilienverbände betonten anlässlich der Unterzeichnung erneut die Notwendigkeit, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und Prozesse zu digitalisieren, und legten eine „Gemeinsame Erklärung der Immobilienverbände zum Maßnahmenpaket des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum“ vor (s.u.).

Im Einzelnen sagten die Verbandsvertreter:

IVD-Präsident und BID-Vorsitzender Jürgen Michael Schick: „Seit der Formulierung des Ziels, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, haben sich zwei entscheidende Parameter verändert: Die Nachfrage nach Wohnraum nimmt durch die verstärkte Zuwanderung zu, die Wohnungsbauproduktivität nimmt durch die steigenden Kosten und den Rohstoffmangel ab. Diese Kluft kann nur durch Vereinfachung, Deregulierung, Entbürokratisierung und eine gehörige Portion Pragmatismus überbrückt werden.“

BFW-Präsident Dirk Salewski: „Priorität müssen nun unsere Vorschläge zur Beschleunigung, Vereinfachung und Entbürokratisierung beim Neu- und Umbau haben. Dringend ist die Abkehr von der alleinigen Fokussierung auf immer höhere und teurere Standards. Die Klimaziele können kostengünstiger und effektiver durch kluges Planen und Bauen erreicht werden.“

GdW-Präsident Axel Gedaschko: „Die Bündnis-Partner haben ihre Hausaufgaben gemacht, jetzt sind alle staatlichen Ebenen für die gemeinsame Umsetzung am Zug. Der Fokus muss angesichts der Energiekrise auf Energieeinsparung und bezahlbaren Effizienzmaßnahmen im Gebäudebestand liegen. Es dürfen keine Maßnahmen beschlossen werden, die zusätzliche Belastungen für Mieter und Vermieter auslösen. Lösungen für mehr Planungssicherheit und Kostenstabilität beim Wohnungsbau sind dringend notwendig. Deshalb begrüßen wir die vorgesehene Einrichtung einer Geschäftsstelle und eines Runden Tisches für serielles und modulares Bauen ausdrücklich.“

Haus & Grund-Präsident Dr. Kai Warnecke: „Jetzt kommt es darauf an, zügig jene Maßnahmen umzusetzen, die in den kommenden Jahren gerade in den Großstädten die Bedingungen für zusätzlichen Wohnraum verbessern.“

VDIV-Präsident Wolfgang Heckeler: „Es ist richtig und wichtig, die Potenziale des Bestandes durch Sanierung, Aufstockung und Nachverdichtung voll auszuschöpfen. Dies sind wichtige Bausteine zur Unterstützung der Wohnungsneubauziele, um die Flächeninanspruchnahme im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes zu verringern. Um eine wirksame Mobilisierung der Potenziale im Bestand zu erreichen und die Durchführung entsprechender Maßnahmen spürbar zu erleichtern, sind eine zielgenaue und vor allem verlässliche Förderkulisse unbedingt erforderlich.“

vdp-Präsident Dr. Georg Reutter: „Wir freuen uns, dass das Bündnis bezahlbarer Wohnraum weitgehend gute und praktikable Maßnahmen erarbeitet hat, um die Wohnungsnot in unserem Land zu mildern. Der Schlüssel liegt in der Schaffung von neuem Wohnraum – ein Vorhaben, dessen Finanzierung im Wesentlichen über Kreditinstitute erfolgen wird. Von daher begrüßen wir sehr, dass mit dem vdp erstmals auch die Finanzierungsseite in solch einem Bündnis vertreten ist.“

ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner: „Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ebnet den Weg dafür, dass es viel zügiger gehen kann, neuen Wohnraum zu schaffen – wie es sich schon bei der letzten Bauministerkonferenz andeutete. Politik hat verstanden: Es ist nicht die Zeit für Regulierungen, sondern für neuen Gründergeist. Allerdings wurden Bremsklötze und Fehleinschätzungen wie das Mantra der Effizienzstandardverschärfung nicht beseitigt.“

Gemeinsame Erklärung der Immobilienverbände zum Maßnahmenpaket des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum

Die der Immobilienbank im Bündnis angehörenden Verbände BFW, GdW, Haus & Grund, IVD, vdp, VDIV und ZIA haben sich mit großem Engagement, hoher Umsetzungskompetenz und ausgeprägter Kompromissbereitschaft in die Bündnisarbeit eingebracht. Sie teilen die Einschätzung, dass der Neubau von jährlich mindestens 400.000 bedarfsgerechten und klimafreundlichen Wohnungen (davon 100.000 geförderte) notwendig ist, halten aber eine Erreichung dieser Zielmarken aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen, die sich durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in den vergangenen Monaten nochmals verschlechtert haben, für unrealistisch.

Um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für unser Land abzufedern, hat sich die Bundesregierung entschlossen, einen wirtschaftlichen Abwehrschirm zu spannen. Dieser soll Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft entlasten – insbesondere die steigenden Energiekosten führen zu anhaltend hoher Inflation. Dadurch geht Kaufkraft verloren und Unternehmen verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Aus Sicht der Immobilienwirtschaft dürfen deshalb keine Maßnahmen beschlossen werden, die zusätzliche Belastungen auslösen.

Unser Ziel, und dafür setzen wir uns als Immobilienverbände im Bündnis ein, ist die Schaffung von Rahmenbedingungen, die zu mehr bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum führen. Die Umsetzung des ambitionierten Neubauziels muss sich an den sozialen und ökonomischen Herausforderungen der Menschen in Deutschland orientieren. Dazu braucht es für die Akteure der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Planungs- und Investitionssicherheit. Die Bündnis-Arbeit hat gezeigt: Es gibt kein Erkenntnis-Problem, sondern ein Umsetzungs-Problem.

Wir begrüßen es, dass viele unserer eingebrachten Vorschläge, die zur Beschleunigung, Vereinfachung und Entbürokratisierung beim Neu- und Umbau – auch durch Aufstockungen und Anbauten – beitragen können, berücksichtigt wurden. Dazu zählen:

  • die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren durch mehr Digitalisierung und Personal,
  • das Bekenntnis der Bundesländer zur Weiterentwicklung der Musterbauordnung, zur weiteren Harmonisierung der Landesbauordnungen und zur Stärkung der Typengenehmigungen,
  • die Einrichtung einer Geschäftsstelle und eines Runden Tisches für serielles und modulares Bauen. Die Förderung des seriellen Bauens muss dabei einhergehen mit der Aufnahme in die Baunutzungsverordnung als vorrangiger Abwägungsbelang,
  • die Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Folgekostenabschätzung in Normungsprozessen mit dem Ziel der Deregulierung und Baukostenreduzierung,
  • die weitere Abkehr vom Höchstpreisprinzip und stattdessen die Vergabe von öffentlichen Grundstücken grundsätzlich nach einem qualitativ ausgerichteten Konzept,
  • die Anerkennung der Wohneigentumsbildung als wichtigen Bestandteil bei der Schaffung von bedarfsgerechtem Wohnraum.

Allerdings enthält das vom Bündnis vorgelegte Maßnahmenpaket auch zahlreiche Vorhaben, die das Ziel des bezahlbaren Wohnens und das Bemühen um die Steigerung der Fertigstellungszahlen nachweislich behindern. Dazu gehören beispielsweise:

  • das Ziel, die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag zu reduzieren und bis zum Jahr 2050 bis auf Netto-Null zu senken,
  • die Etablierung von Bodenbeiräten,
  • die Fortentwicklung des kommunalen Vorkaufsrechts.

Hinzu kommen gegenläufige Prozesse innerhalb der Bundesregierung, die das 400.000-Wohnungsbau-Ziel nachhaltig durchkreuzen. Vorgaben wie die jüngst in Kraft getretene Verpflichtung zum hydraulischen Abgleich wirken sich nachteilig aus, da hierdurch personelle und vor allem finanzielle Kapazitäten in erheblichem Umfang vom klimaschonenden Bauen abgezogen werden. Zudem trägt diese Verpflichtung zur Verteuerung des Wohnens bei.

Es ist bedauerlich, dass trotz wiederholt vorgetragener Argumente an der Bezugnahme am EH40-Standard ab 2025 festgehalten wurde. Die entsprechende, im Themenfeld „Klimagerechter und ressourcen-schonender Wohnungsbau“ festgelegte Maßnahme ist nur dann akzeptabel, wenn die Bundesregierung den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ernst nimmt und kurzfristig eine Abkehr von der alleinigen Fokussierung auf immer höhere und damit natürlich teurere Energieeffizienzstandards einläutet. Die Klimaziele können kostengünstiger und effektiver erreicht werden, wenn auch ganzheitliche Ansätze verfolgt werden, bei denen der Quartiersgedanke unter Berücksichtigung aller Gebäudeeigentümer die zentrale Rolle spielt. Die Betrachtung allein von Einzelgebäuden muss der Vergangenheit angehören. Der Energieeffizienzstandard EH40 darf und kann nicht das Ziel sein.

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit halten wir für überflüssig. Sollte sie tatsächlich umgesetzt werden, darf sie in keinem Fall zu Lasten der etablierten Wohnungswirtschaft gehen, die schon seit Jahrzehnten für langfristig bezahlbares Wohnen steht.

Die Verbände der Immobilienbank fordern die Priorisierung derjenigen Maßnahmen, die zur Erreichung des Kernziels des Bündnisses beitragen. Sie fordern seitens des Bundes, der Länder und Kommunen ein klares Bekenntnis zur Technologieoffenheit, zur Straffung von Verfahrensschritten und Verwaltungsprozessen sowie zur Baulandaktivierung.

 

Pressemitteilung vom 12. Oktober 2022

Ansprechpartner

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Leiter Kommunikation und Pressesprecher