IVD Berlin-Brandenburg e.V.

Gebäude mit Geschichte – das SEZ in Friedrichshain

Das Gebäude mit Geschichte in diesem Monat weist nur eine recht kurze, wenngleich doch sehr spannende und wechselvolle Geschichte auf. Das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Ecke Landsberger Allee und Danziger Straße wird wohl nach aktueller Lage zu beurteilen seinen 40. Geburtstag nicht mehr erleben…

ADN-ZB / Reiche / 20.3.81 Berlin: Freizeitzentrum Das neue Sport - und Erholungszentrum Berlin ist am 20.3.81 eröffnet worden. Es wurde vom Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates  der DDR, Erich Honecker, seiner Bestimmung als Haus sinnvoller Freizeitgestaltung übergeben. Hier beim Rundgang in der Schwimmhalle- das Wellenbad-. Rechts neben E. Honecker Prof. Dr. Ehrhardt Giss Hinter E. Honecker: Günter Mittag (l.) und Wolfgang Junker (r.).

ADN-ZB / Reiche / 20.3.81 Berlin: Freizeitzentrum
Das neue Sport - und Erholungszentrum Berlin ist am 20.3.81 eröffnet worden. Es wurde vom Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, seiner Bestimmung als Haus sinnvoller Freizeitgestaltung übergeben. Hier beim Rundgang in der Schwimmhalle- das Wellenbad-. Rechts neben E. Honecker Prof. Dr. Ehrhardt Giss
Hinter E. Honecker: Günter Mittag (l.) und Wolfgang Junker (r.).

Ambitionierte Pläne
Erst 1981 wurde das SEZ in Anwesenheit Erich Honeckers feierlich eröffnet – die Arbeiter- und Bauern-Republik wollte mit dem riesigen und hochsubventionierten Bau eine deutliche Ansage machen, dass auch sie etwas von Spaß und Wellness versteht. Bedenkt man, dass die Örtlichkeiten für 22.000 Besucher täglich ausgelegt waren, kann man ohne weiteres von einem DDR-Monument sprechen. Der Entwurf stammt von einem schwedischen Architektur-Team, die Leitung hatte Erhardt Gißke, Direktor der sogenannten Aufbauleitung „Sondervorhaben der Hauptstadt Berlin“. Er zeichnet sich auch für weitere prestigeträchtige Bauwerke, u.a. den Palast der Republik verantwortlich. Knapp über zwei Jahre wurde gebaut, dann wurde das Sport- und Erholungszentrum eingeweiht – und zog in den ersten 5 Jahren bereits 16 Millionen Besucher an; das entspricht einem Durchschnitt von täglich über 8.000 Besuchern. Aber nicht nur die Besucherzahlen sind beeindruckend, auch die Optik des Hauses war modern und auf der Höhe der Zeit: eine offene Architektur mit über 15.000 qm Glasflächen sollte hell und einladend und wirken.

Neben dem Spaßbad mit Wellenbad befanden sich auf dem Gelände u.a. auch eine Eislaufbahn, die im Sommer als Rollschuhbahn genutzt wurde, Fitnessstudios, eine große Bowlingbahn, eine Tischtennishalle, eine Kampfsportschule, eine Billardanlage sowie großflächige Open-Air-Anlagen für Tennis, Minigolf und vieles mehr. Darüber hinaus gab es eine sportmedizinische Praxis und einen Friseursalon – und einen „Kindersportgarten“, in dem Eltern ihre Kinder für maximal 4 Stunden betreuen lassen konnten. Weitere Veranstaltungshallen und Gastronomieanlagen rundeten das Angebot ab.

Nach der Wende
Nach dem Ende der DDR 1990 wurde Stück für Stück der Betrieb eingestellt und die Belegschaft entlassen. Dem Berliner Senat waren die Kosten für Sanierung und Instandhaltung zu hoch und so wurde das SEZ im Jahre 2001 erst mal vollständig geschlossen. 2003 wurde der Gebäudekomplex an den Leipziger Investor Löhnitz verkauft – unter vermeintlich festen Bedingungen wie z.B. die Wiederaufnahme des Spaßbades. Zunächst wurden Bowlingbahn, Badminton- und Tischtennishalle wiedereröffnet und es wurden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. 2004 fand ein Tages-Open-Air-Festival statt, 2009 wurde ein multifunktioneller Sportbereich mit Ballspielplätzen, Fitness, Wasserflächen und Saunen eröffnet, dennoch blieb ein großer Teil der eigentlichen Gebäudefläche weiterhin ungenutzt. Gelegentlich fanden nun auch Kunstausstellungen statt, erstmals in 2012 zur „Langen Nacht der Museen“.

Die Bezirksverwaltung beanstandete, dass der Investor seinen vertraglichen Pflichten nicht vollumfänglich nachgekommen sei – und seitdem geht es hin und her. Unter anderem rankt der Konflikt um die Formulierung der Wiederaufnahme des Hallenbadbetriebes – ob die Inbetriebnahme einiger Wasserflächen inklusive des sanierten Außenbeckens dies schon abdeckt ist Teil der Auseinandersetzung. Die einen sprechen nun von Unsauberkeiten im Vertrag, die anderen von Korruption, denn bei der Käufersuche sollte vor allem die Erhaltung des Gebäudes im Vordergrund stehen – diese ist nun aber zunehmend fraglich, insbesondere vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Wohnungsnot in Berlin und den steigenden Preisen für Mieten und Immobilien, denn das günstig gelegene und hervorragend angebundene Gelände kann man ohne weiteres als „Filetstück“ bezeichnen.

Während Löhnitz bestreitet, dass er auf Abriss spekuliert hat, stellte der Bund der Steuerzahler 2013 Strafanzeige wegen Untreue, die aber sofort abgeschmettert wurde, da Untreue nach 5 Jahren verjährt. Innerhalb dieser 5 Jahre hätte die vertraglich festgehaltene „Hallenbad-Inbetriebnahme“ stattfinden sollen – und genau hier wittert der Bund der Steuerzahler wahlweise Korruption oder komplettes Versagen. Ende 2015 übernahm Bausenator Geisel die Planungshoheit; nun ist der Neubau von Wohnungen im Gespräch.

Ausblick
Löhnitz hatte insgesamt drei verschiedene Nutzungskonzepte beim Bezirk eingereicht, scheiterte jedoch mit diesen. Im Oktober wurde dann von Geisel ein Bebauungsplan-Entwurf vorgelegt, der in zwei Varianten eine mögliche Bebauung aufzeigt. In beiden sind 10-Stöckige Hochhäuser geplant – nach dem Berliner Modell mit 25% Sozialwohnungen. Weiterhin sind eine Schule, eine Kita und ein Park in beiden Modellen vorgesehen. Ende kommenden Jahres soll das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen sein – Löhnitz hat dagegen bereits eine Normenkontrollklage bei Gericht eingelegt. Es sieht nach wie vor nicht danach aus, als könne man sich hier einig werden – die Senatsverwaltung für Finanzen prüft jedoch, ob der Kaufvertrag möglicherweise rückabgewickelt werden kann.

Fazit
Das Gerangel um das SEZ und seine weitere Nutzung ist ein weiteres unrühmliches Beispiel für Berlins Unfähigkeit, Großprojekte zukunftsweisend zur Zufriedenheit aller – Kiezbewohner und Investoren – zu gestalten.
Geöffnet hatte das SEZ zuletzt kürzlich im Oktober für eine Popup-Ausstellung.

 

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sport-_und_Erholungszentrum
http://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez---stadt/kurier-enthuellt-so-wird-der-neue-sez-kiez-24865166
http://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-friedrichshain-der-senat-will-nun-doch-das-ddr-spassbad-sez-zurueck/12881380.html
http://www.abendblatt-berlin.de/2016/10/30/abriss-des-sez-rueckt-naeher/
http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2014/12/streit-um-zukunft-des-sez-berlin.html
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/eigentuemer-des-sez-verklagt-berliner-senat-wegen-noetigung-23799054
http://www.berliner-woche.de/friedrichshain/politik/gerangel-um-das-sez-rueckgabe-neubebauung-wie-stehen-die-chancen-d110856.html